Ganz genau weiß ich nicht mehr wann es war. Aber es hatte sich alles irgendwann im Jahr 1985 zugetragen, also vor rund 20 Jahren. Und angefangen hatte die Geschichte mit einem Auftritt der Rockband U.F.O. in Kufstein in Tirol. – Dort fanden zu jener Zeit  des öfteren Konzerte von etwas abgehalfterten Überbleibseln der 70er Jahre statt. Es gab da so einen Liebhaber für solche Classic Rock Tunes der ersten Stunde. Und   daher versuchte er, unser naives Bergvolk, das wir waren, für Bands wie Uriah Heep, Nazareth, Wishbone Ash und eben U.F.O. zu begeistern. Teilweise gelang ihm das auch durchaus, was aber eher daran lag, dass wir sonst nicht viel geboten bekamen in der Hinsicht . Also ergriff der Rock’n’Roll Fan jede Möglichkeit, um sich an  Klängen dieser Stilrichtung zu erfreuen.  Möglichkeiten dafür ergaben sich im Durchschnitt allerhöchstens fünfmal im Jahr.
Ich schrieb damals schon für unsere Tiroler Tageszeitung kleine Konzertkritiken, aber eigentlich mehr aus Spaß an der Freude, als wegen dem geringen Nebenverdienst.  Wie auch immer, zumindest kam ich dadurch überall umsonst rein und hatte meinen Fun.
U.F.O. bestanden in jenen Jahren aus dem  'Non Michael Schenker – Line-up', wie ich es immer nenne. Dass das nichts besonderes war und ist, wissen wir ja, nach dem Motto: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.  Auch Pete Way glänzte 1985 durch Abstinenz und wurde durch einen gewissen Paul Gray vertreten, der vormals bei The Damned die Saiten zupfte. – Für Michael Schenker hatte man Atomic Tommy geholt. Bitte fragt mich jetzt nicht mehr, wie der Wicht, und das war er buchstäblich, mit wirklichem Namen hieß. Nur die japanischer Herkunft war nicht zu verleugnen.


U.F.O. - The Non - Michael Schenker Line-up
von links: Paul Gray, Phil Moog, Jim Croce, Paul Raymond & Atomic Tommy

Um ehrlich zu sein, an den Gig in Kufstein kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern, an die Party anschließend noch eher. Der Alkohol floss in Strömen, und die Drogen taten das ihrige, um die Gesellschaft so richtig in Fahrt zu bringen. Ich war mit dem Zug gekommen. Rückfahrt nach 23 Uhr – ausgeschlossen. Tja, und irgendwo auf Provinzbahnhöfen übernachten war schon damals nicht mein Ding gewesen. Ergo : das Partylife war allem anderen vorzuziehen. Es war schon ein buntes Völkchen, dass sich da versammelt hatte, bestehend aus Band, diversen Technikern und natürlich gab  es  da unseren guten alten J.J., der die Aufgabe des Tourmanagers inne hatte.
<<< J.J.  war Kult. Er sah immer aus, als ob er grade aufgestanden wäre und legte einen so grimmigen Blick an den Tag,  dass jeder augenblicklich Respekt vor ihm bekam. Aber J.J. war in Wirklichkeit ein Herz von einer Seele und stets zur Stelle, wenn er gebraucht wurde. Ich habe ihn in den folgenden Jahren noch öfters getroffen, u.a. mit Saxon on tour. Bis zu dem Tag, Anfang der 90er Jahre, als mir irgendjemand erzählte, dass J.J. an einem Herzinfarkt verstorben sei. Ich habe sogar eine Träne vergossen. Denn er war auch mir im Laufe all der Jahre ans Herz gewachsen. Wie auch immer, back in 85 da war J.J. jedenfalls  noch putzmunter und erfreute sich bester Gesundheit.
U.F.O. waren stets von einem ganzen Schwall von Frauen umgeben, was mich, ehrlich gestanden, etwas verwunderte.  Die Musik, ja, aber die Instrumentalisten dazu gehörten nicht unbedingt zu der Sorte: 'Traum aller Schwiegermütter'. Paul Gray  bemühte sich letztendlich mich in die Kiste zu kriegen. Allerdings  entschwebte der Kerl wenig später, um ca. 2 Uhr nachts , sturzbesoffen und Gras-benebelt, ins Land der Träume . 


Paul Gray live in Kufstein


...and aftershow


Jim Croce
Ein Kingdom für sein Drumkit


Atomic Tommy in Action in Kufstein

So  landete ich am Morgen  doch noch am Kufsteiner Bahnhof in einer zugigen Wartehalle, die nach allen möglichen Abfällen stank. Aber zumindest war mein Stolz und meine Ehre gerettet. Okay, fast .....na ja, nicht ganz. -
Lang lebe U.F.O. und hinter mir die Sintflut.

Ha,  so hatte ich gedacht. Aber wäre die Geschichte hier zu Ende, dann hätte ich gar nicht erst begonnen, sie niederzuschreiben. Dies hier ist nur die Einleitung zum Life on Tour mit U.F.O., und das nur ca. 2 Wochen nach jenem ersten Zusammentreffen.  Ein Heavy Metal Magazin hatte mir den Auftrag angeboten. Und, ja klar doch wollte ich das machen. Erstens kannte ich diese Band schon, und zweitens hatte ich noch nie einen „On Tour Bericht“ gemacht. Es sollte zwar nur für drei Tage sein, aber das war immer noch besser als gar nichts.
Die erste Station hieß Stuttgart, wo U.F.O. als Supportband von Twisted Sister spielen sollten. Krass,  da stand doch glatt der komplette riesengroße Tourbus vor dem Hauptportal des Bahnhofs um mich abzuholen. Aber außer dem Fahrer und Atomic Tommy beherbergte das Vehikel keine weiteren Fahrgäste. Ungefähr gleichzeitig mit mir war noch Tommys zwischenzeitliches Herzblatt eingetroffen, die es ebenfalls galt, aufzugabeln. Wir fuhren direkt zur Sporthalle Böblingen. Ich bekam meinen Tourpass um den Hals gehängt, und man überließ mich meinem Schicksal. Und dieses wollte ich mit Sicherheit nicht ausschließlich im Backstage Bereich verbringen, wo bereits ein halbes Dutzend aufgetakelte Hardrock Hühner auf, weiß der Geier was, warteten. Da standen z.B. im Flur die beiden Japanerinnen, die jedes Mal zerflossen, wenn Tommy auch nur annähernd in ihr Blickfeld geriet. Seine eigentliche Flamme war hingegen eher einer, nicht zu unterschätzenden, Mordgefahr ausgeliefert seitens der schlitzäugigen Beauties. Ich kann mich auch noch an die drei blonden Schwedinnen erinnern, die lt. Band, dieser bereits durch halb Europa gefolgt waren. Und eine von ihnen hatte es doch tatsächlich geschafft, Bassist Paul Raymond unter die Bettdecke zu kriegen.
Irgendwie gelang es ihnen immer wieder Backstage-Pässe zu bekommen. Und sie saßen auch jeden Morgen schön brav in der jeweiligen Hotellobby und warteten auf,  ehrlich gestanden, ich weiß nicht wirklich was. Alles was nur im entferntesten nach Musiker oder Roadie roch, war interessant für die Damen. Diese drei Skandinavierinnen stellten wahrscheinlich genau das dar, was man als klassisches Groupie bezeichnet. Und was ist ein klassischen Groupie? Im Endeffekt eine kostenlose Prostituierte, die auch noch Strichlisten führt, wen sie schon aller vernascht hat,  oder auch umgekehrt.  Meist sehen diese Schlampen auch noch äußerst verlebt aus und sind vom extensiven Drogenkonsum gekennzeichnet.  Soviel dazu. Ich hingegen wurde von der Band immer nur 'der  Frosch' genannt wegen meiner großen Kulleraugen. Ich wusste nicht, ob ich das jetzt als Kompliment auffassen, oder beleidigt sein sollte. Ich fühlte mich sowieso nicht besonders hübsch zu der Zeit. Und ich hatte hier schließlich einen Auftrag zu erfüllen. Last but not least – Journis sind dazu da, dass sie über etwas berichten und nicht, um zum allgemeinen Off Stage Amusement beizutragen. Also war und blieb ich, der Frosch,  eine eher relativ uninteressante Randfigur, denk ich jedenfalls.

1985

Foto anklicken für Official Website

Der Auftritt von U.F.O. ging dann irgendwie an mir vorüber. Vielleicht weil ich sie ohnehin gerade erst  gesehen hatte vor 2 Wochen. Twisted Sister gefielen mir hingegen ausnehmend gut. Wauw, jawohl, da war es wieder, das richtige Rock’n’Roll Feeling. „We’re not Gonna Take It“, yep,  und „We Wanna Rock“, das rockte, das ging ab.  Meine Allgemeinstimmung stieg zusehends, und der stetig wachsende Alkohol-Konsum tat das seinige, um mich in höheren Sphären schweben zu lassen. Froschsprünge hatte ich deshalb aber keine vollführt.


Paul Raymond, ich & Tommy


Paul Gray, Marco Mendoza (TS) Phil Moog & Atomic Tommy


Eddy Ojeda & Marco Mendoza
& Tourmanager von Twisted Sister

Aftershow-Time – Partytime! Holladrio, das durfte doch nicht wahr sein.  Die Anzahl der Leute im Hospitality Bereich hatte sich verdreifacht. Ich stand eine Zeitlang ziemlich verloren herum bis mich J.J. am Ärmel zog und meinte: „come on Frosch, hier ist es zu laut und zu busy. Lass uns in die Garderobe gehen“. Er musste mir das nicht 2x sagen. Hier war die Situation etwas besser, wenn auch nicht wirklich friedlich. Es wurden Joints herum gereicht, und in der Dusche nebenan amüsierte sich ein Typ lautstark mit einer der Schwedinnen. Sie schrie immer wieder "stop it, -  you hurt me, stop it." Scheinbar hatte sie ihr Auserwählter auf eine etwas andere Art beglückt. Aber keiner störte sich daran. Im Gegenteil. Irgendwann hörte das Gebrüll auf, und es war nur noch leises Stöhnen zu hören. Die anderen beiden Tauben saßen da wie hinbestellt, aber nicht abgeholt. „Do you know, where the loo is“? wollte die eine mit ihrer hellen Fistelstimme in gebrochenem Englisch wissen. J.J. erklärte ihr noch den Weg. Aber sie unterbrach ihn sofort und faselte etwas von, sie hielte es nicht mehr aus, stand auf, stöckelte zu einem der Waschbecken im Raum, zog ihren Slip hinunter, setzte sich drauf und verrichtete in aller Seelenruhe ihre menschlichen Bedürfnisse,  und das vor mindestens 10 Augenpaaren. Heilige Scheiße, so was hatte ich noch nie erlebt in meinen jungen Jahren. Wo war bei den Vögeln bloß das Ehrgefühl geblieben, der Stolz oder einfach die Menschenwürde? Ich war, weiß Gott nicht prüde veranlagt, aber das ging sogar mir etwas zu weit unter die Gürtellinie.
Ich hatte so etwas halt noch nie erlebt und war zu jener Zeit noch relativ unbedarft was den Rock'n'Roll Zirkus anging.
Es herrschte Stille in dem Raum . Sogar die Stöhngeräusche in der angrenzenden Dusche waren verstummt. Die Schwedin hingegen, zupfte ihre spärliche Kleidung zurecht und setzte sich wieder zu ihrer Kollegin auf die Bank.  Fest stand, in diesem Waschbecken wusch sich an dem Abend niemand mehr die Hände auch wenn die Meisten den Vorfall geflissentlich und cool übergingen. – 
Ich war es, die als nächste die Toilette benötigte und, um es zu betonen, auch dorthin ging. Mir war schlecht. Man musste einen längeren Flur durchqueren, und irgendwo mitten drin stand einsam und verlassen eine Liege. 

    
so eine war's, nur abgefuckter & defekt - und sie war rot.

Nun, es handelte sich ja hier eigentlich um eine Sporthalle. Und da  standen nun mal u.a. Sportgeräte und eben auch Ruheliegen herum. 
Keine Menschenseele  war weit und breit zu sehen. Ja, das war die Gelegenheit mich eine Minute auszuruhen – allein. Ich ließ mich auf das Ruhebett fallen, und......peng, schon klappte diese mit einem lauten Knall über mir zusammen, und ich saß am Boden, wie ein Sandwich zusammen gefaltet. Und das einzige was ich hörte war schallendes Gelächter.  Jemand half mir, mich aus der misslichen Lage zu befreien. Ich sah auf und blickte direkt in das höchst amüsierte Gesicht von Mr. Dee Snider. „Girl, what the hell are you doing here“, fragte er mich, immer noch über’s ganze Gesicht grinsend. Ich stotterte etwas von hinlegen wollen und ausruhen. Aber ich bezweifle, dass er  verstanden hatte, was ich wirklich meinte. Wir brachten miteinander die Liege wieder in Ordnung, und zwar so, dass man sich auch drauf setzen konnte. Er bedeutete mir, mich wieder niederzulassen und platzierte sich neben mich.  „Who are you…. You don't look like one of these sluts."  Na servus, welche Ehre!
 Ich erzählte ihm, dass ich Journalist war und in erster Linie hier war, um eine schöne Story über diesen Abend und noch zwei weitere Tage mit U.F.O. on tour unter Dach und Fach zu bringen.  Dee war sehr interessiert, und fragte mich alles mögliche. Ich kam mir fast schon  vor, als wenn ich die Interviewte war und er der Journi. Aber das Blatt wendete sich dann doch noch,  und er erzählte mir über seine Band, über deren Erfolge und über seine Frau, mit der er schon seit vielen Jahren zusammen war. (Anm. Übrigens mit der Frau ist Dee Snider auch heute noch glücklich verheiratet. Eine Seltenheit im Musicbiz.) 

Es musste so ca. eine halbe Stunde vergangen sein, ich fluchte inzwischen innerlich, dass ich mein Aufnahmegerät nicht bei der Hand hatte, als irgendjemand laut rufend um die Ecke bog. „Dee we are leaving now“. Wir verabschiedeten uns mit einem – see you again, und das war’s dann wohl.  Ich habe Twisted Sister seitdem nur noch zwei Mal live on stage gesehen. Einmal Ende der Achtziger Jahre in London, und einmal diesen Sommer 2005 auf dem Bang Your Head Festival in Balingen. Dee selbst habe ich nie mehr persönlich getroffen. Ich bezweifle auch, dass er sich nach 20 Jahren noch an mich erinnern würde. Fest stand, ich hatte innerhalb einer halben Stunde zu diesem Mann mehr Bezug gefunden als zur kompletten U.F.O. Mannschaft in drei Tagen. Na ja, J.J. vielleicht ausgenommen.  Und mit dem musste ich mir dann auch ein Zimmer teilen, da man vergessen hatte eines für mich zu buchen und jetzt nachts um drei Uhr keines mehr verfügbar war. J.J. nahm sich eine Decke, legte sich neben das Bett auf den Boden und war in kürzester Zeit hinweg gedämmert. Er schnarchte zudem so schlimm, dass ich den Rest der Nacht kein Auge zu tat.
Der nächste Tag war ein sogenannter Day off. Nachdem ich am späteren Vormittag ein ausführliches Interview mit Phil Moog geführt hatte, schloss ich mich dem Rest der Truppe an, um ein wenig  Stuttgarts Fußgängerzone zu erkunden. Während Paul Raymond alle zwei Minuten vor einem Bekleidungsladen hängen blieb und Paul Gray jeder zweiten Puppe nachgaffte, was irgendwann tierisch nervte, versuchte J.J. verzweifelt seine Schäflein zusammen zu halten.

<<< Paul Raymond  war übrigens ein fürchterlich eitler Pfau. Er konnte an keinem Spiegel vorbei gehen ohne stehen zu bleiben, um sich selbst darin zu bewundern. Und wehe es stand auch nur ein Härchen ab oder lag nicht so, wie es sein sollte, oder ein Schuh glänzte nicht so wie der andere. Diese übertriebene Eitelkeit war schlimmer als bei jeder Frau. Wahrscheinlich war's bei ihm schon eine Art Paranoia. Aber sie diente zumindest dazu, dass wir uns köstlich amüsierten. Gerade als wir so dahin schlenderten machte sich von einem Augenblick auf den anderen eine schlagartige Panik breit. „Da vorne sind die Schwedinnen“, kreischte Paul Gray, drehte postwendend ab und stürmte in den zufällig nebenan platzierten Fleischerladen. Und wie die Schafe hinter dem Leithammel folgten wir ihm hinein, duckten uns neben der Theke um abzuwarten, bis die Gefahr gebannt sei.  Die ganze Situation war einfach grotesk. Und die Leute im Laden, inklusive der Angestellten waren vor Schreck erstarrt. Ich meine, das kam ja höchstwahrscheinlich auch nicht alle Tage vor, dass vier oder fünf langhaarige, etwas verlotterte, englischsprachige Rocker das Geschäft stürmten, um sich dort zu verschanzen, und das bei den eh schon ziemlich spießigen Baden Württembergern. Die Schrecksekunde verging, die Schwedinnen waren weg, und J.J. bedankte sich gerade für den freundlichen Service,  verstanden hatte seinen schottischen Akzent sowieso keiner, als vor der Tür ein Kleinbus der Polizei hielt. Gleich vier Beamte stürmten in den Laden, und bevor wir uns versahen, waren wir hops genommen worden. Das gab's doch gar nicht! Hatten die Metzger wirklich gedacht, das wäre jetzt ein Überfall gewesen? Wir mussten wohl oder übel einsteigen und aufs Revier mitkommen . J.J. redete sich den Mund fusslig und versuchte die Polizisten zu überzeugen, dass wir lediglich in das Geschäft geflohen seien, um jemanden aus dem Weg zu gehen. Na ja, dank seiner Überredungsgabe, einer ausführlichen Ausweiskontrolle und einer Verwarnung ließ man uns nach ca. einer Stunde wieder laufen. Wir waren jedenfalls bedient von Stuttgarts Innenstadt.  


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Am Abend hatte man die ganze Mannschaft in die Rockfabrik Ludwigsburg eingeladen. Es war das erste Mal, dass ich dort war, und ich musste sagen, mein Eindruck zeigte sich positiv überrascht. Die Einrichtung war damals noch ziemlich neu, so weit ich mich erinnere. Die Rockfabrik gab's ja gerade mal ein ein einhalb Jahre. Für die Band war ein Tisch reserviert worden, und wir erhielten was das Herz begehrte  umsonst. Jack Daniels, Rotwein, Bier, wir mussten es nur sagen, und es wurde postwendend serviert. Etwas nervend erwiesen sich lediglich die unzähligen Autogrammwünsche, die so manche Unterhaltung an dem Abend im Keim erstickten. Aber Fans sind Fans und denen verdankt man ja im Endeffekt sein Dasein. Ich persönlich war lediglich darauf bedacht, immer wieder zu betonen, dass ich Journalistin sei und mit der Band reiste. Ich wollte ganz einfach nicht als Groupie abgestempelt werden. Gott Sei Dank war ich für Miniröcke zu dick und für Stöckelschuhe mit meinen 1,74 m zu groß. Und ich war ja auch der Frosch.  Oje, da waren sie wieder unsere schwedischen Glücksbringer, die sich gut postiert, am Nebentisch breit gemacht hatten. Langsam aber sicher verstand ich die Band in Bezug auf ihre Gereiztheit, was die eingebildeten, überschminkten Blondinen anging. Und im Grunde genommen war alles Paul Raymonds Schuld, der irgendwann, schon Wochen vorher, die Finger von einer der Puppen nicht lassen konnte. Dass das Trio anschließend so hartnäckig sein würde, damit hatte wohl keiner gerechnet. Nun, ich glaube aber , dass es den Herren andererseits auch etwas geschmeichelt hatte, dass ihnen Frauen  von Ort zu Ort folgten. Das gehörte einfach dazu zum Rock'n'Roll Life.
Was dann in der Rofa noch  im einzelnen  alles geschah, an das kann ich mich nicht wirklich erinnern, aber ich hab  noch im Hinterkopf, dass Songs von U.F.O. rauf und runter gespielt wurden, und zwar so, dass es letztendlich nur noch tierisch auf den Geist ging. Doch, etwas war da noch, und zwar als ich mich wieder einmal in Richtung Toilette aufmachte. Kaum dort angekommen, stand eine der Schwedinnen hinter mir, packte mich am Arm und schrie hysterisch auf mich ein. Ich verstand kein Wort, außer immer wieder fuck und bitch. Sie sah anscheinend eine vermeintliche Konkurrenz in mir. Da auf normale Art und Weise keine Chance auf ein Entrinnen war, und sie immer noch kreischend auf mich einhieb, machte ich kurzen Prozess, hob sie hoch und drehte sie mit einem schwungvollen Tai-Seonage, was übersetzt - Schulterwurf heißt, über die eigene Achse. Diese Aktion führte ich allerdings noch relativ sanft aus. Schließlich  wollte nicht  wegen Körperverletzung angezeigt werden. Die Dame crashte dennoch voll gegen die Tür, und ich machte mir ehrliche Sorgen, ob sie wohl physisch unversehrt sei. Eines hatte die Selbstverteidigung jedenfalls bewirkt. Es war augenblicklich ruhig. Und von da an, machten alle drei Grazien einen hohen Bogen um mich, nicht ohne mich jedes mal mit tödlichen Blicken zu beglücken. Ich schlenderte wieder zurück an unseren Tisch und bestellte noch einen Wodka pur. Den brauchte ich jetzt wirklich. Jim, unser Drummerboy, sah mich an und fragte nur: "na Frosch, alles okay, Du siehst etwas mitgenommen aus". Ich zuckte mit den Schultern und gab mich dem Alkohol hin.
Auch die zweite Nacht musste ich mir das Zimmer mit J.J. teilen. Aber das war schon okay. Ich hatte mich an dem Abend absichtlich  bis oben hin zugeschüttet und hörte deshalb sein Schnarchen nicht mehr. Dazu muss ich noch sagen, dass ich nicht sehr viel vertrug an Weingeist, und mir dieser immer ziemlich schnell zu Kopf stieg. Das ist übrigens auch heute noch so.
Am nächsten Tag stand noch Biberach auf dem Programm für einen Clubauftritt. Ich hatte noch nie zuvor von diesem Kaff  gehört. Zu meinem Schrecken musste ich auch noch feststellen, dass der Schwedenalptraum  im Bus mitfuhr. Wer hatte denn das zum Teufel wieder arrangiert? Nein, natürlich fragte da keiner danach, es wurde geduldet, und die Damen waren lediglich nach ganz hinten verfrachtet worden und blieben dort unter sich ihrem Schicksal überlassen.  Irgendwann hielten wir,  aus was immer für welchen Gründen, an. Einige verließen den Bus um sich die Füße zu vertreten oder anderen Bedürfnissen nachzugehen. Das Schweden-Trio begab sich gemeinsam zu der Gaststätte, die ca. 100 m weg lag und verschwand darin. Just in dem Moment sahen sich alle an, ein Verständnis ohne Worte folgte, man hüpfte eiligst in den Bus, und der  startete mit Vollgas durch. Ab durch die Mitte und hoffentlich auf Nimmerwiedersehen. Was für ein Gelächter! Wie die drei Grazien von dort wieder weg gekommen waren, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Sie wurden jedenfalls  in Biberach Gott sei Dank nicht mehr gesichtet.


Original Schwedenbomben
& die schmecken mit Sicherheit etwas leckerer als ..... Sorry, - no pics von den Mädels

Vor Ort  war ebenfalls ein Tageshotel gebucht worden, wenn man die Absteige überhaupt als Hotel bezeichnen konnte. Auch egal. Die Halle entpuppte sich als baufällige Ruine, von der man befürchten musste, dass sie bei einer Beschallung von über 150 Dezibel zusammen brechen würde. Gut gefüllt mit Fans, absolvierten U.F.O. ihren 'final Gig' in Deutschland, wobei ich irgendwann raus gehen musste, weil ich ‚Doctor Doctor’ einfach nicht mehr hören konnte. Die Band verließ noch in der selben Nacht den Ort, um in Richtung Heimat, also Großbritannien, aufzubrechen. Und der Weg war lang. Die Verabschiedung fiel kurz und schmerzlos aus, und ich stand allein in Biberach. Nachts im Hotel angekommen, stellte ich erstmal fest, dass meine Mappe mit Personalausweis und Führerschein weg war. Das konnte doch nicht wahr sein, dachte ich in einem Panikanflug. Verdammt, wie sollte ich zurück kommen ohne Pass? Damals gab's noch Grenzen. Und die strengsten Kontrollen, die ich jemals erlebt hatte, waren die, wenn man nachts mit einem italienischen Zug von Deutschland nach Österreich über Kufstein fuhr. Eine Einreise in den Ostblock war wahrscheinlich noch ein Kinderspiel, verglichen damit.
Gott sei Dank hielt ich Geld und Ausweise immer streng getrennt. Somit war ich zumindest am Morgen in der Lage eine Zugfahrkarte zu bezahlen. Ich fuhr noch einmal zur Halle, die jetzt verlassen und einsam wirkte. Eine Putzfrau erzählte mir, dass die Mappe gefunden worden war, sogar abgegeben wurde und dann an der Kasse in ein Regal wanderte. Danach verlor sich die Spur.  Fazit: ich musste wohl oder übel  versuchen ohne Papiere nach Hause zu kommen. Vorsorglich fuhr ich daher nicht über München und Kufstein zurück, sondern über Lindau / Bregenz. Und  das unverschämte Glück war mir hold, indem es mich nicht aus dem Zug heraus holte. Die Beamten gaben sich irgendwann mit den mehr oder weniger einleuchtenden Erklärungen zufrieden. Meine unschuldigen Froschaugen taten das ihrige, denk ich mal. Halleluja, der Ausflug hatte sich wahrlich gelohnt. Meine Ausweise habe ich übrigens nie wieder zurück bekommen.
Aber ich hab’s überlebt, lieferte letztendlich eine ganz passable Story ab und kassierte mein Soll.

Nachtrag


Phil Moog 2004

Im März 2004 spielten U.F.O. wieder,  und wie so oft zuvor, hier  in München. Mit von der Partie waren vom damaligen Line up  lediglich noch Phil Moog und Paul Raymond. Letzterer erkannte mich definitiv nicht  wieder , was nicht weiter verwunderlich war. Jjeder Mensch verändert sich schließlich  innerhalb von 20 Jahren äußerlich. Aber er ist  nach wie vor am meisten mit seiner eigenen Schönheit beschäftigt. - Nur Phil Moog sah mich während des Interviews aufmerksam an und meinte irgendwann vorsichtig: „haven’t we met before sometime?“  Ich habe diese Frage lediglich mit einem lapidaren: „yeah, probably at some other occasion“ beantwortet. Er gab sich  zufrieden damit.


Paul Raymond 2004

Aber ich habe mir geschworen, sollte ich jemals wieder das Vergnügen haben, Dee Snider persönlich zu treffen, dann werde ich ihn ganz leise an eine defekte Liege in den Gängen der Sporthalle Böblingen bei Stuttgart erinnern.  Ich meine , klar, es ist lange her, but you never know......


ich & J.J. ca.12 Jahre später  - 1997 in München
Das letzte Mal, dass ich ihn vor seinem Tod getroffen habe.

Story & Pics. by ebl / musicmirror
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